Ein berührendes Buch: Paris und Japan treffen aufeinander, Feingeist auf Bourgeoisie. Eine Concierge, die ihren Intellekt zu verstecken sucht und ein 12-jähriges Mädchen, zum Selbstmord entschlossen, weil sie sich ihrem vorgeschriebenen Schicksal nicht ergeben will.
Zunächst einmal, darf ich vorstellen, noch ein kleines, feines Sahnehäubchen für meinen Blog, der besondere Satz. In jedem Buch gibt es ihn, diesen einen Satz, der zwischen Anfang und Punkt die Essenz des Ganzen enthält. Sei es noch so furchtbar und unlesbar (dann ist es eben ein besonders schlechter Satz). Daher werde ich euch in Zukunft dieses Kleinod nicht vorenthalten.
Und gleich vornweg: der Vorführeffekt. Schon lange habe ich nicht mehr so viele Eselsohren produziert wie bei Der Eleganz des Igels. Daher mein Dilemma, für einen einzigen Satz konnte ich mich schlussendlich nicht entscheiden.
Von einem, der auszog, einer neckischen Anprobesitzung von schicken Dessous beizuwohnen, und der auf Feindesgebiet landet, mit dreißig Weibern in Trance, die ihm auf den Füßen herumtrampeln und ihm vernichtende Blicke zuwerfen, wo auch immer er seinen sperrigen Männerkorpus abzustellen versucht.
Ich habe so viele Bücher gelesen… An einem Tag scheint mir, ich umfasse mit einem einzigen Blick die Gesamtheit des Wissens, als würden plötzlich unsichtbare Verzweigungen entstehen und meine zusammenhangslose Lektüre miteinander verweben – und dann entzieht sich mir unvermittelt der Sinn.
Madame Michel ist das, was man eine echte Marke nennt. Mit einem Faible für hohe Literatur, aber auch den klassischen Hollywood-Actionfilm. Ein Herz, das bei Blade Runner ebenso hoch schlägt wie bei Shakespeare.Sanft und lebensklug zieht sich ihr Erzählstrang durch das Buch und gibt ihm eine feste Form.
Ihre Mutter schickt sie zum Psychiater und was tut der kleine Teufelsbraten? Sie versucht, dem vermeintlich in seinem Sessel erstarrten Spezialisten eine Bewegung zu entlocken.
In Monsieur Ozu finden Renée und Paloma beide etwas wieder, das sie glücklich macht. Paloma schwärmt für Japan und zieht ihre Lebensweisheit tatsächlich aus Mangas.
Zu guter Letzt: Ein wundersames Ende, das schöner und heldenhafter nicht sein könnte. Klug und weise findet Muriel Barbery zu einem Schluss, wie ich ihn Martin Suter nur wünschen würde.Das Buch ist, als würde man an einem verregneten Tag wie heute, mit viel Genuss ein warmes Stück Apfelkuchen verspeisen. Es ist der perfekte Moment mit dem leisen Bedauern, dass das Vergnügen bald vorbei sein wird.
1 comment
Klasse Buchkritik! Mir ging es genau so, am Anfang hat es etwas gedauert bis das Buch einen in den Bann zieht, aber dann!
Und super, dass du die besonderen Sätze jetzt postest.
Weiter so.